Regionale Kinogeschichte

Literatur und mehr zur regionalen Kinogeschichte

 

Etwas über Kinonamen: Gloria

Gloria – lateinisch „Ruhm“ – lautet der in Deutschland am meisten als Kinoname gewählte weibliche Vorname.

Das Vorbild war der Berliner Gloria-Palast. der am 26. Januar 1926 im Romanischen Haus am Kurfürstendamm eröffnet wurde. Die bauliche Ausführung war von den örtlichen Gegebenheiten und besonderen Vorstellungen des Bauherrn geprägt. Das (Erste) Romanische Haus wurde 1895 bis 1896 am Auguste-Viktoria-Platz gegenüber der neoromanischen Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche errichtet. Auf besonderen Wunsch von Kaiser Wilhelm II. sollten die Gebäude am Platz im Stil der Kirche erbaut werden. [Peter Boeger „Architektur der Lichtspieltheater in Berlin“ 1993, S. 74f.] Gewünscht war „ein stilles, vornehmes Wohnviertel, das ‚Romanische Viertel‘, das schon in den wuchtigen Linien seines Stils symbolisch die Ruhe gesicherten Besitzes zeigte“ [Hanns Lippmann „Vom Romanischen Haus zum Gloria-Palast“ 1926, S. 5]. Das als Künstlerlokal bekannte „Romanische Café“ befand sich im Zweiten Romanischen Haus.

Im Ersten Romanischen Haus waren ursprünglich luxuriöse Wohnungen untergebracht, im Erdgeschoss das Restaurant „Regina“. Später gab es dort eine Ausstellungshalle für bürgerliche Wohnungseinrichtungen der Firma „J. C. Pfaff A.G. Möbel und Raumkunst“, die gleichzeitig Eigentümerin des Hauses war und den Kinoplänen ursprünglich wenig zugeneigt war. „Herr Kommerzienrat Franke [Vorstand des Aufsichtsrates der Pfaff A.G.] meinte, ein Kino passe nicht in den vornehmen Charakter des Hauses, worauf ich [Hanns Lippmann] ihm erwiderte, ich würde ihm ein Kino hineinbauen, das dem vornehmen Charakter des Hauses voll und ganz Rechnung tragen werde. Daraufhin kamen dann die Verhandlungen in Fluß und zum Abschluß.“ [Hanns Lippmann „Vom Romanischen Haus zum Gloria-Palast“ 1926, S. 8]

1925 wurde mit dem Umbau zum Lichtspieltheater durch Ernst Lessing und Max Bremer begonnen. Der im Januar 1926 eröffnete Lichtspielpalast empfing seine Gäste in einem luxuriösen neobarocken-historistischen Stil und wurde der erlebbare Vorraum zur Traumwelt: sieben Treppenhäuser, drei Aufzüge, ein verspiegelter Wintergarten, Konversations- und Schreibzimmer, Wandelgänge mit Brunnen, Garderoben und Buffets ausgestattet mit Stuck, Marmor, Kristalllüstern, Schleiflackmöbeln, Samt und Seide. Im Saal war Platz für 1200 Zuschauer. Es gab eine Orgel und einen Orchesterraum für 40 Musiker, daneben eine Lichtorgel und einen Wolkenapparat mit Rundhorizont. [Peter Boeger „Architektur der Lichtspieltheater in Berlin“ 1993, S. 77f.] Eine ungenannte Anzahl von Angestellten betreute den Luxus und seine Gäste.

Der Gloria-Palast wurde zum neuen Star im Ufa-Kinopark. Eine Uraufführung hier adelte einen Streifen zum Spitzenfilm. Mit „Der singende Narr“ („The Singing Fool“, USA 1929), der am 3. Juni 1929 im Gloria-Palast seine Deutschlandpremiere hatte, begann das Tonfilmzeitalter.

Initiiert wurde der Bau von Hanns Lippmann (1890-1929), dem Chef der 1918 gegründeten Gloria-Filmgesellschaft, die 1922 vollständig von der Ufa übernommen wurde. Die genauen Hintergründe, warum die Filmgesellschaft Ende 1918 den Namen Gloria in einer wenig glorreichen Zeit wählte, sind mir leider unbekannt. Der Name Gloria erinnert an die damals beliebten Allegorien und andere weibliche Namen auf –ria, z.B. Bavaria und Viktoria.

Dabei fügte sich der Name Gloria gut in die vorhandenen Namen der Bebauung des Romanischen Viertels an: Kaiser Wilhelm (Gedächtniskirche), Auguste Viktoria (Platz), (Restaurant) Regina, (Geschäftshaus) Kaisereck und Gloria (Palast). Ein Viertel, das sich durch den Stil seiner Gebäude und deren Namen den Glanz der Vergangenheit bewahren will.

Letztlich wurde der Berliner Gloria-Palast namensgebend für über 200 Lichtspielhäuser in Deutschland. Vor der Eröffnung des Berliner Gloria-Palastes am 26. Januar 1926 gab es kein Filmtheater mit diesem Namen. Aber schon bald danach gab es Kinoneubauten, die diesen Namen wählten bzw. bestehende Kinos, die sich in Gloria oder Gloria-Palast umbenannten. Bereits im September 1926 wurde in Dresden der Gloria Palast mit 900 Plätzen eröffnet. In Frankfurt am Main eröffnete am 27. September 1927 das Gloria mit 700 Plätzen, ein gleichnamiger Neubau am 18. Oktober 1928 in Weißenfels mit 1200 Plätzen (ein heute noch beeindruckender, leider leerstehender Bau) und in Hamburg am 25.12.1930 der Gloria-Palast mit 1189 Plätzen.

In München eröffnete am 21. November 1926 der Gloria-Palast mit 1020 Plätzen. Dieses Kino hatte nicht nur den Namen übernommen sondern auch hinsichtlich der barocken Ausgestaltung Anleihen am Berliner Vorbild genommen. „Barock-Kino als nationales Bekenntnis“ [Monika Lerch-Stumpf et al. „Für ein Zehnerl ins Paradies“ 2004, S. 133]

1943 wurde der Berliner Gloria-Palast zerstört. 1953 wurde auf dem Grundstück daneben ein gleichnamiges Kino errichtet. 1972 kam nach einem Umbau ein zweiter kleinerer Saal hinzu, Gloriette genannt. 1998 musste das Kino schließen. Das denkmalgeschützte Neonzeichen und das Kassenhäuschen erinnern heute noch an dessen einstigen Glanz.

Außerhalb von Deutschland ist dieser Kinoname selten zu finden, auch wenn der Vorname weltweit verbreitet ist. In Yorkville, einem international geprägtem New Yorker Stadtviertel, gab es in den 1930er Jahren ein deutsches Filmtheater namens Gloria Palast, bekannt vor allem durch sein gleichnamiges Restaurant.

In München gründete 1949 gründete die aus Berlin stammende Ilse Kubaschewski zusammen mit Luggi Waldleitner die Gloria-Filmverleih GmbH. In den 1950er Jahren war dieser Verleih vor allem mit den beliebten Heimatfilmen Marktführer in Westdeutschland. Im August 1956 eröffnete Ilse Kubaschewski den Gloria-Palast in der Münchener Altstadt. Das noble, theatermäßig eingerichtete Kino mit etwa 800 Plätzen bot den Zuschauern einen gediegenen Raum für eine unterhaltsame Ablenkung vom Alltag. 2012 wurde dieses Kino nach einer aufwendigen Sanierung als Luxuskino mit 240 Plätzen wiedereröffnet. Die Auferstehung eines glanzvollen Namens.

Heute werden folgende Filmtheater namens Gloria in Deutschland noch bespielt:

-       Gloria & Gloriette in Heidelberg (eröffnet 1905, Gloria seit 1933)

-       Gloria-Kinocenter in Ankum (eröffnet 1933, Gloria seit 1956)

-       Gloria in Dillenburg (seit 1937)

-       Gloria in Schwäbisch Hall (seit 1953)

-       Gloria in Kassel (seit 1954)

-       Gloria Filmpalast in Erkelenz (seit 1954)

-       Gloria Palast in München (seit 1956)

-       Gloria in Stuttgart (seit 1956)

-       Gloria in Geislingen an der Steige (seit 1956)

-       Gloria Filmbühne in Schmelz (seit 1958)

Das Gloria-Theater in Köln wurde von 1956–91 als Film- und Theaterbühne genutzt und ist heute ein beliebter Raum für Club, Theater und Konzerte. Auch das Gloria-Theater in Bad Säckingen (Kinobetrieb 1959-2007) wird heute überwiegend als Theater genutzt.

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